Ich weiß nicht, ob die Situation, die ich gleich beschreiben werde, viele Frauen kennen. Ich bin mir aber sicher, dass einige sie garantiert kennen. Jede Wette! Denn so mancher Frau dürfte es im Leben schon passiert sein, einen Mann getroffen zu haben, der nicht frei ist. Und mit dem sie sich nur selten treffen kann. Als Geliebte. Ich habe so einen Mann getroffen. Und – nein – er ist nicht frei. Das weiß ich, das akzeptiere ich. Unsere Verbindung hat auf ein „Für immer“ keine Chance. Gar keine. Das nehme ich allerdings hin. Meine Höhepunkte sind die Tage, an denen ich ihn sehe. Das ist selten. Sehr selten. Manchmal sehen wir uns fünfmal im Jahr, manchmal nur zweimal. Ich selbst bin Single und fiebere diesen seltenen Momenten mit IHM entgegen.
Als Geliebte auf Zeit den Sex genießen
Ob ich verliebt bin? Ich weiß es nicht! Auf irgendeine Art und Weise schon, obwohl ich damit umgehen kann und akzeptiert habe, dass er vergeben ist. Und ich eine Geliebte auf Zeit bin. Und in dieser Zeit genießen wir vor allem den Sex. Wahrscheinlich ist es das unbändige Prickeln, das uns zueinandergeführt hat. Es war vom ersten Augenblick an spürbar.
Und jetzt darf ich es ab und an genießen. Wenn mein Geliebter – nennen wir ihn Marco – in meiner Stadt ist. Er wohnt sehr weit weg und ist nur sehr selten hier. Wenn, dann geschäftlich. Wir treffen uns immer in seinem Hotel, das hat sich so eingespielt. Warum weiß ich gar nicht mehr zu sagen. Vielleicht, weil das Hotel ein tolles Restaurant hat, in das wir so gern gehen? Und es die Möglichkeit bietet, nach den kulinarischen Höhepunkten nur eine Fahrstuhlminute von anderen Höhepunkten entfernt zu sein? Vielleicht. Das gemeinsame Essen ist – neben der Erotik – die einzige Unternehmung (sozusagen) die wir DAVOR unternehmen. Danach spielt sich alles nur noch in den Laken ab.
Darauf möchte ich aber mit meinem Gastbeitrag gar nicht weiter eingehen, sondern tatsächlich über den speziellen „besonderen Moment“ schreiben. Weil er so unwirklich ist, so realitätsfern, so surreal.
Nein, es ist keiner der Momente während des Zusammenseins mit IHM gemeint, ich meine etwas anderes. Und ich bin mir sicher, dass es jenen Frauen, die ähnliche Verbindungen pflegen wie ich, und ihren Liebhaber nur sehr selten sehen, ähnlich geht. Mit diesem Moment.
Ich erlebe ihn stets, wenn ich zu Marco ins Hotel fahre. An den seltenen Tagen, an denen ich ihn sehen und spüren kann. Dieser Moment wird meist noch mehr besonders, wenn es Herbst ist oder Winter. Oder die blaue Stunde gerade anbricht – jene Zeit, in der der Tag noch nicht ganz gegangen und die Nacht noch nicht gekommen ist. Fahre ich in dieser Zeit Richtung Treffpunkt nehme ich – frisch geduscht, gecremt und in verruchte Unterwäsche gehüllt – die Welt vor meinen Autoscheiben als extrem surreal wahr.
Die Seltenheit der Treffen umhüllt IHN mit der Aura eines Filmstars
Surreal deshalb, weil ich mich auf die Nacht mit meinem Liebhaber freue, die IHM aufgrund der Seltenheit unserer Treffen die Aura eines unnahbaren Filmstars verleiht und ich deshalb in einer absoluten Ausnahmesituation bin. Aufgeregt, voller Vorfreude, mit einem Kribbeln im Körper.
Und doch bemerke, dass das Leben da draußen weiter ganz normal seinen Gang geht. Mütter gehen mit Babys im Kinderwagen spazieren, Leute kommen vom Einkaufen, Fahrgäste stehen an der Straßenbahnhaltestelle und ein Pärchen lacht vergnügt im Auto auf der Spur nebenan.
Geht das nur mir so, dass ich einen solchen Moment als besonders empfinde? Wobei man ja eigentlich in der Mehrzahl schreiben muss, von „Momenten“. Denn die Besonderheit des Augenblicks wiederholt sich an jeder Ampel wieder. Wenn ich stehenbleiben muss an einem viel frenquentierten Überweg, wie es sie in der Großstadt zigfach gibt. Und das normale, pralle Leben an einem vorbeizieht. Mit Leuten, die im Alltagsgeschehen sind und wahrscheinlich im Kopf die Einkaufsliste für den Supermarkt durchgehen oder sich schon auf das Abendbrot machen vorbereiten.
Es klingt bescheuert, aber wenn ich an solchen frühen Abenden zu meinem Lover ins Hotel fahre, wundere ich mich manchmal, dass es das graue „Draußen“ gibt, das so gar nicht zu meiner glamourösen Ausnahmesituation passt. Fast denke ich manchmal, dass auch die Umgebung anders aussehen müsste, an Abenden wie diesen. Freundlicher und nicht so abstoßend-rau, wie das viele (Vor)Stadtgebäude nun mal an sich haben.
Für alle anderen geht das Leben seinen normalen Gang!
Natürlich ist das Unsinn, passt aber zu den Empfindungen, die ich habe, in diesem ganz besonderen – und seltenem – Moment.
Das Leben geht bekanntlich auch an Abenden wie diesen seinen Gang, der Zauber nimmt nur mich in Beschlag. Für alle anderen geht alles weiter wie immer. Zumindest gewinnt man durch die vielen Momentaufnahmen durch die Autoscheibe diesen Eindruck.
Man selbst ist dahinter und wie in Watte. Das ist schön und fühlt sich herrlich an. Einfach ein wolkiges vorbei gleiten an profanen Alltagssituationen anderer Menschen, zu denen ich normalerweise auch gehöre.
Nur nicht an diesem Abend. In diesem ganz besonderen Moment!
Bildnachweis (Symbolbild): stock.adobe.com/ Wrangler
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