Verliebtes Paar - geht einer fremd?

Dass Untreue auch in an und für sich glücklichen Beziehungen vorkommt, ist kein Geheimnis. Wohl jeder kennt jemanden (der jemanden kennt) der fremdgegangen ist, obwohl er nicht gerade in einer zerrütteten Partnerschaft lebt. Dieser Tatsache – dem Fremdgehen in harmonischen Beziehungen – widmet sich nun eine amerikanische Paartherapeutin und hat darüber ein Buch geschrieben. Ihr Ansatz als Erklärung für die Untreue in Beziehungen, bei denen weder eine Sexflaute noch gegenseitiges „überdrüssig-sein“ vorherrscht, ist, dass Menschen, die in solchen Partnerschaften heimlich fremdgehen, jemand anders sein wollen. Und sich in dieser Rolle einem anderen Lebensstil hingeben (wollen).

Untreu, weil ein anderes Selbst gesucht wird?

In einem Online-Artikel der Neuen Züricher Zeitung heißt es dazu wie folgt:

„Die Fremdgehenden wollten oft nicht die Person verlassen, mit der sie zusammen seien, sondern die Person, zu der sie selbst geworden seien. «Sie suchen keinen andern, sondern ein anderes Selbst.» Affären könnten ungeheuren Schaden anrichten im Leben eines Paars, vergleichbar mit Tod oder Krankheit. Aber: «Sie können auch Gutes bewirken.»

Zumindest für die eine Hälfte. Den Betrogenen mag es kaum trösten, dass die Untreue nichts mit ihm zu tun haben soll. Was Perel meint: Der Treulose sehnt sich nach einer verlorenen Identität. Er erlebt die Heimlichkeit wie zuletzt als Teenager, als es keinen Ort gab, wo man sich treffen konnte. Vielleicht begegnet er wieder demjenigen, der er vor der Heirat war: kühn und sorglos. Oder sie verwandelt sich in diejenige, die sie nie sein konnte: die jede Kontrolle abgibt. Mit einer Affäre holt man die Möglichkeiten nach, die man zugunsten einer einzigen Geschichte aufgab. So geht man oft mit jemandem fremd, den man nie heiraten würde. Dem Lastwagenfahrer mit den Tattoos. Der Barkeeperin. Es sind die «ungelebten Leben», wie es der englische Psychoanalytiker Adam Phillips nennt, die uns umtreiben. Sie bestimmen unser Handeln auch in diesem Fall. Perel sagt es so: «Ehebruch ist die Rache der unterlassenen Möglichkeiten.“

Nun – das Menschen mit Personen fremdgehen, die sonst eher nicht zu ihrem gesellschaftlichen Umfeld gehören, ist bekannt. Der Chefarzt betrügt mit der Krankenschwester, der heimliche Lover der Rechtsanwältin ist Möbelpacker.

Dem ist natürlich nicht immer so, aber oft. Insofern also keine neue Erkenntnis, sondern fast schon ein Klischee.

Oft ist die allseits bekannte Gelegenheit Auslöser für`s Fremgehen

Dass einer in solchen Konstellationen denn auch ein „ungelebtes Leben“ leben möchte, ist eine sehr gewagte Behauptung. Denn die erwähnte Paartherapeutin lässt einen Aspekt, der eben auch in harmonischen Beziehungen zu Seitensprung und Doppelleben führen kann, gänzlich aus:

nämlich die allseits bekannte und berühmte „Gelegenheit“. Diese wird ja bekanntlich auch in Zusammenhang mit Dieben bemüht („Gelegenheit macht Diebe“) und gilt fürs Fremdgehen nicht minder. Man muss sich nämlich überhaupt nicht nach einem anderen Leben sehnen und kann trotzdem in die Falle der Untreue tippen.

Möglich macht das so oft: die sich bietende Gelegenheit. Und die nimmt nun mal keine Rücksicht darauf, ob eine Beziehung gut oder schlecht, harmonisch oder zerrüttet ist, sie ist einfach da.

Sei es auf der Geschäftsreise, im Umfeld von Job und Unternehmen oder auch nur ganz profan im Fitnessstudio nebenan. Wo der Blitz der sich anbahnenden Untreue einschlägt, da schlägt er ein. Hier liegt es ganz klar an der betreffenden, gebundenen Person, ob er oder sie sich darauf ein- oder den prickelnden Moment vorüber gehen lässt. Klar ist: viel zu viele lassen sich darauf ein. Darunter eine ganze Menge Leute, deren Partnerschaft okay bis sehr gut ist.

Ist Gelegenheit zum Fremdgehen da, wird ER häufig untreu

Ist die Gelegenheit zum Fremdgehen da, wird eben oftmals auch eine glückliche Verbindung zum Partner daheim ausgeblendet.

Insofern ist der Zusammenhang zwischen dem Fremdgehen in glücklichen Beziehungen und der angeblichen Sehnsucht nach einem anderen Leben doch etwas arg hölzern und konstruiert.

Denn freilich kann sich auch wer nach einem anderen Leben sehnen, ohne dass diese Person dabei den Gedanken hat, fremdzugehen. Hier muss Untreue überhaupt nicht reinspielen.

Und fest steht auch: gäbe es (in unserer mobilen, schnelllebigen Gesellschaft) nicht so unendlich viele Gelegenheiten, seinen Partner zu belügen oder zu betrügen, wäre auch die Anzahl der Fremdgeher nicht so hoch. Denn Untreue ist angesagt wie nie – von der Hand zu weisen ist das nun mal nicht und lässt sich auch an der Anzahl der Scheidungen, den vielen Seitensprung-Portalen oder auch – in unserem Fall, als Betreiber dieses Magazins – an den Erfahrungen betrogener Frauen festmachen.

Dennoch ist die Herangehensweise der amerikanischen Paartherapeutin nicht gänzlich uninteressant, vielleicht ist ihre These für den einen oder anderen, der an der Seite eines Fremdgehers oder einer Fremdgeherin lebt, sogar ein tröstlicher Umstand.

Zu finden ist besagter Artikel für Interessierte deshalb hier.

Bildnachweis: pexels.com

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