„Warum ich Fremdgehen nicht schlimm finde“ – so war es kürzlich in einem Internet-Medium zu lesen. Mal wieder. Es ist zwar kein Dauerthema, aber dass die Untreue in Beziehungen ruhig an der Tagesordnung – und sogar ein erstrebenswertes Lebensmodell – sein kann, kommt medial in regelmäßigen Abständen vor.

Selbst Menschen, die als Coach in Sachen Beziehungen arbeiten, versuchen, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, in dem sie eine Lanze für das Betrügen des Partners brechen. Ob sich so Mandanten gewinnen lassen, ist allerdings mehr als fraglich.

Die hohlen Phrasen von „keinem was wegnehmen, wenn man während der Beziehung auch mit anderen schläft“ bis „in der Liebe gibt es keine Besitzansprüche“ sind diese üblichen Argumente stets dabei, wenn es darum geht, diesen Lebensstil als „ganz normal“ zu verkaufen.

Wobei: mit dem Ausdruck „normal“ muss man vorsichtig sein, man gilt ja heutzutage schnell als intolerant, wenn man sich der althergebrachten Ausdrucksweise bedient.

Allerdings nur im medialen Kontext. Wer in seinem persönlichen Umfeld schaut, der sieht: meist ist alles beim alten.

Die Leute im Freundeskreis haben EIN Geschlecht und mehrere, wenn es Hochzeiten gibt, dann heiraten die Frauen meist einen Mann und wer sich so oder auch ohne Trauschein bindet, der möchte vieles, aber bestimmt keine offene Beziehung. Sprich: wer merkt, dass er betrogen wird, der Partner fremdgegangen ist, für den bricht oft eine emotionale Welt zusammen.

Punkt.

Natürlich „gehört“ nie ein Mensch dem anderen, wie die Verfechter der offenen Beziehung so häufig argumentieren.

Aber: bindet man sich, „gehört“ man zusammen. Dass der andere dann auch in andere Betten springt, ist da nicht vorgesehen.

Unterhalte ich mich mit Frauen, die das Fremdgeher- und Lügner-Aufdeckportal www.wen-datet-er-noch.de nutzten und dort einen Mann, der sich als Fremdgänger entpuppte, entlarvten, bekomme ich immer wieder ein Wort zu hören: Vertrauensbruch.

Frauen, deren Partner Kontakte zu anderen Frauen oder gar ein Doppelleben aufgebaut oder heimlich Singlebörsen im Internet genutzt haben, empfinden es als riesigen Vertrauensverlust, wenn der Partner fremdgegangen ist. Würde man ihnen sagen: „aber er gehört Dir doch nicht, ist er etwa Dein Eigentum?“ würde man lediglich ein fassungsloses Kopfschütteln ernten.

Denn es gehört nun mal zum unausgesprochenen Kodex einer Beziehung, dass man sich treu ist, keiner der Partner fremdgeht.

Dass es trotzdem passiert, steht auf einem anderen Blatt und ist auch eines der lautesten Argumente, mit denen Befürworter offener Beziehungen um sich werfen.

Im Stil von: „Wenn doch sowieso millionenfach fremdgegangen wird, dann kann man eine Partnerschaft doch auch gleich offen leben!“.

Von wegen!

Selbst Männer, die fremdgehen, wären sauer, wenn sie wüssten, dass ihre Partnerin sie ebenfalls betrügt, und umgekehrt geht es oft betrügenden Frauen ebenso.

Alles in allem: das Thema ist hoch kompliziert. Dennoch glaube ich nicht, dass sich das Modell der offenen Beziehung jemals durchsetzen wird, wie deren Anhänger dies gern tagträumen.

Denn immerhin darf man nicht vergessen, dass viele Beziehungen – ich wage gar zu behaupten, die meisten – Verbindungen sind, in denen nicht fremdgegangen wird. Nicht jeder springt gleich in fremde Betten, wenn die Partnerschaft in die Jahre und der Sex zu kurz kommt.

Denn es gibt ja noch vielesa anderes, was Paare verbindet:

Gemeinsame Erlebnisse, häufig der Nachwuchs, vielleicht ein Haus, die gemeinsame Firma, und, und, und…Allein durch diesen Background lässt sich für offene Beziehungen schwer argumentieren – wenn man vielleicht von ganz jungen Leuten, die noch nicht viel verbindet, absieht (in den letzten Jahren hört man allerdings immer wieder, dass ganz junge Leute in Beziehungen auf Treue setzen).

Denn es ist das zwischen zwei Menschen Entstandene, Gewachsene, das viele Gebundene durch plötzliches Fremdgehen aufs Extremste erschüttert sehen.

Erfährt eine Frau vom Fremdgehen ihres Partners, sieht sie ihn vor ihrem geistigen Auge nicht nur im Bett mit der anderen – nein: meist fühlt sie sich auch um die Gemeinsamkeiten der Beziehung, alles was selbige ausmachte, verraten.

Deshalb ist Untreue so verhasst und stürzt – bei Bekanntwerden – viele Partnerschaften ins Chaos, und betrogene Frauen nicht selten in depressive und selbstzweiflerische Phasen.

Schon weil eine so emotionale Wucht in zwischenmenschlichen Beziehungen mitschwingt, ist es kaum vorstellbar, dass ein Paar sich zwar durch viel Gemeinsames (und auch Gemeinsamkeiten) verbunden fühlt, aber einer sich der beiden sich regelmäßig in fremde Federn verabschiedet.

So wie es andererseits kaum vorstellbar ist, dass der, der offene Beziehungen lebt, überhaupt eine tiefe, durch gemeinsame Erlebnisse und gemeinsam Erreichtes geprägte Beziehung, eingehen kann?

Oder ob er immer eine Art sexueller Vagabund bleibt, der Einsamkeit und Leere preisgegeben?

Nun – wie so oft in Sachen Fremdgehen, Liebe und Betrug:

es ist kompliziert!

Herzlichst,

Linda-Tabea Vehlen

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